Offene St. Pauluskirche
Mär
Die Künstlerin Heike Kirsch stellt ihre Werke, in denen Sie sich mit der Horizontlinie als zentralem Element der Bildgestaltung befasst, in der St. Johanniskirche und im Foyer des Gemeindezentrums St. Johannis aus.
Geöffnet während der Veranstaltungen in der St. Johanniskirche
Anwesenheit der Künstlerin: jeden Freitag von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr - bis einschließlich 11.4.2025
(Hinweis: in der Zeit von 18.00 Uhr bis 18.30 Uhr finden die Passionsandachten statt)
Die Horizontlinie ist ein zentrales Element der Bildgestaltung, das traditionell zur Konstruktion einer
Perspektive und räumlichen Orientierung dient. In der zeitgenössischen abstrakten Malerei und der
digitalen Fotografie wird sie jedoch auf vielfältige Weise genutzt, hinterfragt, dekonstruiert oder sogar
aufgelöst. Ihre Bedeutung reicht von einem rein ästhetischen Kompositionselement bis hin zu einer
tiefen symbolischen oder konzeptionellen Aussage.
In der abstrakten Malerei hat die Horizontlinie ihre klassische Funktion als Referenzpunkt für Raumtiefe
verloren. Stattdessen wird sie als formales, symbolisches oder prozessuales Element eingesetzt:
Struktur und Ordnung: Auch in abstrakten Werken dient eine Horizontlinie als stabilisierendes
Element, das dem Bild eine visuelle Gliederung gibt. Künstler:innen nutzen sie bewusst, um
Spannung zwischen horizontalen und vertikalen Kräften zu erzeugen.
Dekonstruktion und Auflösung: Viele Künstler:innen lösen die klare Trennlinie zwischen Himmel und
Erde auf, indem sie sie verwischen, überlagern oder fragmentieren. Es werden auch Farbübergänge
genutzt, die an einen Horizont erinnern, ohne ihn konkret darzustellen.
Symbolische Bedeutung: Die Horizontlinie kann für Trennung oder Verbindung stehen - zwischen
Vergangenheit und Zukunft, zwischen Realität und Imagination oder zwischen Ruhe und Unruhe.
Besonders in der minimalistischen Malerei wird sie oft als meditativer Raum inszeniert.
Materialität und Prozess: In experimentellen Maltechniken kann die Horizontlinie durch
Schichtungen, Kratzen oder Übermalen entstehen. Sie wird nicht als fixe Linie verstanden, sondern
als Spur eines künstlerischen Prozesses.
In der digitalen Fotografie bleibt die Horizontlinie ein wesentliches Element, aber ihre Rolle hat sich
verändert:
Kompositorische Bedeutung: Die klassische Drittelregel empfiehlt, den Horizont nicht mittig zu
platzieren, sondern im oberen oder unteren Drittel, um eine harmonische Balance zu schaffen. In der
zeitgenössischen digitalen Fotografie wird diese Regel oft bewusst gebrochen, um alternative
visuelle Spannungen zu erzeugen.
Digitale Manipulation: Während die Horizontlinie in der analogen Fotografie eine feste Konstante war,
kann sie in der digitalen Fotografie nachträglich verschoben, verzerrt oder aufgelöst werden. KIgestützte
Bildbearbeitung erlaubt es, sie in dynamische, sich verändernde Elemente zu verwandeln.
Symbolik und Emotion: Besonders in Landschaftsfotografien steht die Horizontlinie für Weite,
Sehnsucht, Unendlichkeit, Veränderung oder Glaube. In Arbeiten, die sich mit Klimawandel oder
Umweltkrisen befassen, kann eine veränderte, zerstörte oder fehlende Horizontlinie den Verlust
natürlicher Ordnung symbolisieren.
In den ausgestellten Bildern und Fotos finden sich viele von den vorgenannten Aspekten und laden die
Betrachter:innen dazu ein, nicht nur die physische Horizontlinie zu hinterfragen, sondern auch die Linien
in unserem Denken: zwischen Realität und Interpretation, zwischen Ordnung und Auflösung, zwischen
Naturerlebnis und Umweltkrise.